Von Händel bis Piazzolla

Gegensätzliche Klangwelten treffen in der St. Ansgarkirche in Langenhorn aufeinander

von Sebastian Jörgensen / 19. März 2018

 

Von Händel bis Piazzolla: Gegensätzliche Klangwelten treffen in der St. Ansgarkirche in Langenhorn aufeinanderEs ist Anfang März. Der Winter hat sich mit sibirischer Kälte noch einmal zu Wort gemeldet. Man hofft und bangt unter den Spielenden und Besuchern des Konzerts: Ist die Kirche beheizt? Schon im Eingangsbereich macht sich jedoch Erleichterung breit. Die einladende und herzliche Atmosphäre, die einen im Kircheninneren erwartet, ruft in mir einen Frieden hervor, den ich bis jetzt selten vor einem Auftritt gespürt habe. Nur dauert es nicht lange, bis sich die Nervosität bemerkbar macht; vielleicht ist es auch eher Vorfreude, aber die beiden Gefühle lassen sich vor Konzerten schwer auseinanderhalten. Immerhin ist dies der Moment, auf den wir wochenlang hingearbeitet haben.

Ich betrete also die Kirche. Mein Blick fällt auf das riesige Kreuz, das die Wand über dem Altar ziert. Als mein Blick nach unten wandert, sehe ich, dass meine Freunde schon da sind und alles eifrig vorbereiten, Stühle aufstellen, Noten sortieren. Ich packe mein Cello aus und mische mich mit unter die Tätigkeiten. Dann folgt die Einspielprobe. Wir greifen unsere Celli und setzen uns, in die jeweiligen Stimmen verteilt, auf die Bühne. Heute stellen wir ein neues Repertoire vor, bestehend aus sechs Stücken, von denen wir zwei mit der Gesangssolistin Katharina Mai aufführen werden. Die meisten Stücke spielen wir nur kurz an, weil die Zeit drängt. Die ersten Zuhörer sind schon eingetroffen. Wenige gespielte Töne reichen aber aus, um Kenntnis über die zauberhaft hallende Akustik in der Kirche zu erhalten.

Gleich ist es soweit. Wir ziehen uns mit den Celli zurück und sehen die Zuhörer eintreten. Es sind viele bekannte, aber auch ebenso viele unbekannte Gesichter dabei. Man nimmt Platz und richtet den Blick auf die acht im Halbkreis formierten Stühle vorne auf der Bühne. Wir bekommen noch ein paar letzte Worte von Andranik - unserem Lehrer - mit auf den Weg und begeben uns dann auf die Bühne. Unsere Blicke ruhen auf dem Stimmführer der ersten Stimme in Erwartung des Einsatzes. Dem ersten Stück eines Auftritts wohnt immer eine besondere Anspannung bei. In ihm steckt die Arbeit der vergangenen Proben und das endlose Üben zu Hause. Es ist der erste Eindruck, den das Publikum von den Früchten jener Arbeit erhält.

Der erste Ton erklingt. Mit jedem weiteren gespielten Ton verschwinden mehr und mehr die Selbstzweifel und die Freude am Spielen macht sich breit. Ob verhasste Stellen in bestimmten Stücken jetzt klappen, sind nur noch Detailfragen und man bemüht sich, das große Ganze wirken zu lassen. Zwischen den Stücken gibt es kurze Textbeiträge, die den Gesamteindruck abrunden. Als traditionelle Zugabe spielen wir die Pizzicato Polka von Joseph Strauss.

Nach dem Konzert pausiere ich gedanklich einen Moment. Unser letzter größerer Auftritt in der Laeiszhalle ist mittlerweile ein Jahr her. Das, wofür wir damals scheinbar endlos üben mussten, geht heute locker von der Hand.
Wenn man ein Instrument lernt, kann das manchmal frustrierend sein. Man sitzt stundenlang an einer Stelle, die partout nicht klappen möchte. Hat man sie dann doch einigermaßen hinbekommen, so scheint der erreichte Fortschritt am nächsten Tag gleich wieder für die Katz zu sein. Aber man macht es trotzdem, man setzt sich dennoch jeden Tag hin und findet Freude am Scheitern, weil man weiß, dass man nur auf diese Weise an seinem Instrument wächst.

Einige Leute bedanken sich noch für den schönen Abend, was uns alle gleichermaßen freut. Als sich die Kirche allmählich leert, packen wir unsere Sachen zusammen. Unsere Eltern und Freunde bleiben noch da. Ich merke, wie solche Auftritte den Zusammenhalt unseres Ensembles stärken und uns mehr Vertrauen in uns selbst geben. Ich bin gespannt, was uns noch erwartet.

Von Händel bis Piazzolla. Impressionen aus der St. Ansgarkirche in Langenhorn

Von Händel bis Piazzolla. Impressionen aus der St. Ansgarkirche in Langenhorn

Von Händel bis Piazzolla. Impressionen aus der St. Ansgarkirche in Langenhorn